Paul-Ehrlich-Institut

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Stellungnahme des Paul-Ehrlich-Instituts: Keine chargenbezogene Häufung von Verdachtsfallmeldungen zu Impfnebenwirkungen nach COVID-19-Impfungen mit Comirnaty

Auswertung der SafeVac 2.0-Studie zur Frage "Gibt es eine chargenbezogene Häufung von Verdachtsfallmeldungen bei Chargen des COVID-19-mRNA-Impfstoffs Comirnaty?"

Stand 18.08.2023

Das Paul-Ehrlich-Institut kann eine chargenbezogene Häufung von Verdachtsfallmeldungen zu Impfnebenwirkungen nach COVID-19-Impfungen mit dem mRNA-Impfstoff Comirnaty (BioNTech/Pfizer) auf Basis der Analyse der Daten aus der prospektiven Beobachtungsstudie mit der SafeVac 2.0-App nicht bestätigen. Eine chargenbezogene überproportionale Häufung der Anzahl gemeldeter unerwünschter Ereignisse bei bestimmten, in Deutschland verwendeten Comirnaty-Chargen, wie sie von den Autoren eines Research Letter mit Daten aus Dänemark veröffentlicht wurde (Schmeling et al. [1]), ist in der Auswertung der SafeVac 2.0-Daten weder für die Gesamtheit mittels App gemeldeter unerwünschter Ereignisse noch spezifisch für schwerwiegende unerwünschte Ereignisse erkennbar.

Das Paul-Ehrlich-Institut erfasst im Rahmen des Spontanmeldesystems alle Verdachtsfälle von Nebenwirkungen bzw. Impfkomplikationen, die nach einer Impfung gemeldet werden, und analysiert diese Daten fortlaufend im Hinblick auf das Nutzen-Risiko-Verhältnis der zugelassenen Impfstoffprodukte. Die Angabe der Chargenbezeichnung wird bei der Meldung eines Nebenwirkungsverdachtsfalls nach einer Impfung zwar abgefragt, ist allerdings nicht verpflichtend für die Validierung einer Meldung und Aufnahme in die Auswertung. Eine Auswertung der Anzahl von Verdachtsfallmeldungen von Nebenwirkungen im Spontanmeldesystem, um der Frage nachzugehen, ob ein Zusammenhang zwischen einer erhöhten Anzahl gemeldeter Verdachtsfälle und einer bestimmten COVID-19-Impfstoffcharge existiert, ist daher methodisch in Frage zu stellen. Diese methodische Unwägbarkeit ist bei der vom Paul-Ehrlich-Institut durchgeführten Auswertung der Verdachtsfallmeldungen mittels SafeVac-App nicht gegeben, da hier die Verdachtsfallmeldungen bindend mit der Angabe der Chargennummer der verabreichten Impfstoffdosis verbunden sind.

Vorstellung der Beobachtungsstudie mit der SafeVac 2.0-App

In Vorbereitung auf die nationale Impfkampagne mit COVID-19-Impfstoffen hat das Paul-Ehrlich-Institut zusätzlich zu der Erfassung von Verdachtsfallmeldungen über das Spontanmeldesystem eine prospektive Beobachtungsstudie implementiert (SafeVac 2.0-Studie), in welcher die Sicherheit und Verträglichkeit der zugelassenen und in Deutschland verwendeten COVID-19-Impfstoffprodukte überwacht wurde. Ende der Rekrutierungsphase zur Teilnahme an der SafeVac 2.0-Studie war der 30.09.2022.

Mit der prospektiven Beobachtungsstudie SafeVac 2.0 zur Impfstoffsicherheit erfolgte eine qualitativ hochwertige und kontrollierte Erfassung des Sicherheitsprofils der zugelassenen und zur Impfung verwendeten COVID-19-Impfstoffprodukte auf Basis der periodisch aktiv nachgefragten Angaben der teilnehmenden Personen zu von ihnen bemerkten unerwünschten Ereignissen nach COVID-19-Impfung über einen Zeitraum von einem Jahr nach der Impfung. Die teilnehmenden Personen wurden in vorab definierten Abständen nach ihrem Gesundheitszustand bzw. nach Beschwerden befragt. Damit wurde eine Verzerrung durch einen Reporting Bias minimiert.

Um an der SafeVac 2.0-Studie teilnehmen zu können, musste jede teilnehmende Person eine gültige Chargenbezeichnung des zu ihrer Impfung verwendeten COVID-19-Impfstoffprodukts angeben. Anhand dieser Bezeichnung wurde überprüft, ob die Charge authentisch und zum angegebenen Impfzeitpunkt bereits freigegeben war. Durch diese beiden kontrolliert erfassten Parameter in der SafeVac 2.0-Studie kann reproduzierbar und valide ermittelt werden, wie viele unerwünschte Ereignisse nach Impfung mit einer bestimmten Charge eines bestimmten COVID-19-Impfstoffprodukts berichtet wurden.

Auswertung im Hinblick auf die Frage einer möglichen chargenbezogenen Häufung von Meldungen unerwünschter Ereignisse

Vor diesem Hintergrund hat das Paul-Ehrlich-Institut zu der Fragestellung, ob es eine Häufung der Anzahl der berichteten unerwünschten Ereignisse sowie deren Schweregrad bei bestimmten freigegebenen Chargen des COVID-19-mRNA-Impfstoffprodukts Comirnaty gibt, eine Analyse der in der SafeVac 2.0-Studie erhobenen Daten durchgeführt.

Insgesamt registrierten sich 734.394 Personen für die Teilnahme an der SafeVac 2.0-Studie, von denen mindestens eine Impfung mit gültiger Chargenbezeichnung angegeben wurde. Zusätzlich wurden Angaben von 445.483 teilnehmenden Personen ausgewertet, die den Erhalt einer zweiten Dosis in der SafeVac 2.0-App registriert hatten. Damit konnten insgesamt die Daten von 1.179.877 Impfungen mit Impfstoffdosen aus 401 verschiedenen Impfstoffchargen ausgewertet werden. Insgesamt 5.074.069 unerwünschte Ereignisse wurden mittels SafeVac-App nach 1.179.877 Impfungen berichtet.

Für einen Vergleich mit der in der Veröffentlichung von Schmeling et al. [1] zu Daten aus Dänemark vorgenommenen Auswertung wurde die Häufigkeit gemeldeter unerwünschter Ereignisse nach COVID-19-Impfstoffprodukt und Charge stratifiziert.

Insgesamt wurden 244 verschiedene Comirnaty-Chargen in der SafeVac-App-Studie registriert, die sich auf 703.164 Impfungen mit Comirnaty (erste und zweite Dosis) beziehen.

Zeitlich nach diesen 703.164 Impfungen wurden 3.061.920 unerwünschte Ereignisse berichtet. Eine SafeVac-App-Meldung kann mehrere unerwünschte Ereignisse umfassen. Es gab auch Mitteilungen, dass kein unerwünschtes Ereignis aufgetreten ist. Dies gehörte zu den Erkenntniszielen der Befragung, in welchem Maße die Impfung ohne körperliche Reaktionen vertragen wurde.

Die auf einer Geraden liegenden Punkte in Abbildung 1 zeigen, dass die Anzahl der per SafeVac 2.0-App gemeldeten unerwünschten Ereignisse und die Anzahl der Impfstoffdosen aus einer bestimmten Comirnaty-Charge korrelieren.

Abbildung 1 (Unerwünschte Ereignisse pro Charge / Impfungen pro Charge (alle Ereignisse)) Abbildung 1: Anzahl der an SafeVac 2.0-Studienteilnehmende verabreichten Impfdosen einer bestimmten Comirnaty-Charge und Anzahl der per SafeVac 2.0-App gemeldeten unerwünschten Ereignisse nach Impfung mit einer Dosis aus dieser Charge (Stand 30.06.2023). Es wurden hier alle per SafeVac 2.0-App gemeldeten unerwünschten Ereignisse pro Charge gezählt, unabhängig davon, ob diese Ereignisse als schwerwiegend oder nicht empfunden wurden. Quelle: Paul-Ehrlich-Institut

Es besteht demzufolge eine lineare Abhängigkeit: Je mehr Impfungen mit Impfstoffdosen einer bestimmten Charge erfolgten, umso mehr unerwünschte Ereignisse wurden per SafeVac 2.0-App gemeldet. Das bedeutet, dass für keine Charge unverhältnismäßig viele unerwünschte Ereignisse registriert wurden. Keine Charge fiel also negativ auf.

Darüber hinaus wurden die Daten der SafeVac 2.0-App ausgewertet, in denen die teilnehmenden Personen ein unerwünschtes Ereignis nach Comirnaty-Impfung aus ihrer persönlichen Sicht als schwerwiegend eingestuft hatten. Zudem wurden alle berichteten unerwünschten Ereignisse berücksichtigt, die von den EU-Arzneimittelbehörden vorab als Ereignis von besonderem Interesse (Adverse Event of Special Interest, AESI) identifiziert worden waren, auch wenn die teilnehmende Person dieses Ereignis nicht als schwerwiegend beurteilt hatte.

Insgesamt konnten 3.935 Comirnaty-Impfungen (erste und zweite Impfung) 137 verschiedenen Comirnaty-Chargen zugeordnet werden, bei denen mindestens ein von der geimpften Person als schwerwiegend eingestuftes unerwünschtes Ereignis oder ein Ereignis von besonderem Interesse berichtet wurde.

Nach den 3.935 Comirnaty-Impfungen wurden 33.874 schwerwiegende unerwünschte Ereignisse inklusive der Ereignisse von besonderem Interesse, basierend auf oben genannter Definition, berichtet.

Abbildung 2 zeigt die Korrelation zwischen der Anzahl der zu einer bestimmten Comirnaty-Charge gemeldeten, als schwerwiegend empfundenen oder als AESI eingestuften unerwünschten Ereignisse und der Anzahl der teilnehmenden Personen, die mit einer Dosis der jeweiligen Comirnaty-Charge geimpft wurden.

Abbildung 2 (Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse pro Charge / Impfungen pro Charge (nur schwerwiegende Ereignisse)) Abbildung 2: Anzahl der an SafeVac 2.0-Studienteilnehmende verabreichten Impfdosen einer bestimmten Comirnaty-Charge und Anzahl der per SafeVac 2.0-App nach Impfung mit einer Dosis aus dieser Charge gemeldeten und als schwerwiegend empfundenen unerwünschten Ereignisse (Stand 30.06.2023). Jeder Punkt bezieht sich auf die Anzahl der verimpften Dosen in einer bestimmten Charge und die Anzahl der zu dieser Charge berichteten und als schwerwiegend empfundenen unerwünschten Ereignisse. Quelle: Paul-Ehrlich-Institut

Auch hier zeigt sich die lineare Abhängigkeit: Je mehr Impfungen mit einer Charge erfolgten, umso mehr als schwerwiegend empfundene Ereignisse oder Ereignisse von besonderem Interesse wurden per SafeVac 2.0-App gemeldet. Es wurden also unter Berücksichtigung der Anzahl Impfstoffdosen pro Charge ebenfalls für keine Charge unverhältnismäßig viele unerwünschte Ereignisse registriert.

Es ist wichtig zu beachten, dass die berichteten Beschwerden in der SafeVac 2.0-Studie zunächst nur als unerwünschte Ereignisse registriert werden. Die Anzahl der berichteten schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse in der SafeVac 2.0-App-Studie basiert auf der Selbsteinschätzung der per SafeVac 2.0-App meldenden Person. Diese Selbsteinschätzungen werden bei der medizinischen Validierung und Registrierung als Verdachtsfallmeldungen durch die Expertinnen und Experten des Paul-Ehrlich-Instituts ggf. korrigiert.

Einschränkend ist festzustellen, dass die Anzahl der per SafeVac 2.0-App gemeldeten unerwünschten Ereignisse für das Erkennen von Risikosignalen bezogen auf eine einzelne Charge zu gering ist. Für die aktuelle Fragestellung entscheidend ist jedoch, dass unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Anzahl Impfstoffdosen pro Charge keine chargenabhängige Häufung von per SafeVac 2.0-App gemeldeten unerwünschten Ereignissen erkennbar ist.

Weitere internationale Untersuchungen zur Frage einer möglichen chargenbezogenen Häufung von Verdachtsfallmeldungen

Vereinigtes Königreich

Bereits im Juni 2022 hat die Überwachungsbehörde des Vereinigten Königreichs (Medicines and Healthcare products Regulatory Agency, MHRA) ihre Auswertung des Spontanmeldesystems (Yellow Card) und die daraus resultierende Antwort zur Frage eines Zusammenhangs von Nebenwirkungs-Verdachtsfallmeldungen mit bestimmten COVID-19-Impfstoffchargen im Rahmen einer Anfrage nach dem "Freedom of Information Act" veröffentlicht. Aus diesen Auswertungen ergeben sich keine auf einzelne Chargen bezogene Sicherheitsbedenken.

Dänemark

Der am 30.03.2023 veröffentlichte Research Letter "Batch dependent safety of the BNT162b2 mRNA COVID-19-vaccine" von Schmeling et al. [1] beschreibt Hinweise auf eine chargenbezogene Häufung von Verdachtsfällen zu Nebenwirkungen nach Impfung mit dem mRNA-Impfstoffprodukt Comirnaty in den Daten des Spontanerfassungssystems der dänischen Überwachungsbehörde für Impfstoffsicherheit. Diese Analyse erfolgte allerdings nicht im Auftrag der dänischen Behörde.

In ihrer Veröffentlichung beschreiben Schmeling et al. [1], dass es basierend auf der Analyse der gemeldeten Verdachtsfälle von Nebenwirkungen nach Comirnaty-Impfung signifikante Unterschiede in der Anzahl und dem Schweregrad der berichteten unerwünschten Ereignisse pro Comirnaty-Impfstoffcharge gäbe. Grundlage für diese Aussage ist eine Auswertung der gemeldeten Verdachtsfälle von Nebenwirkungen (Spontanerfassungssystem) nach Comirnaty-Impfung in Dänemark.

Ca. 80 Prozent der in der Auswertung dargestellten, gemeldeten unerwünschten Ereignisse sind "nicht schwerwiegend" und betreffen insbesondere die aus den klinischen Prüfungen bekannte Reaktogenität und die typischen kurzzeitigen Impfreaktionen, die ohne Nachwirkungen innerhalb weniger Tage nach Impfung abklingen.

Anmerkungen zu der Publikation von Schmeling et al. [1]

Das Paul-Ehrlich-Institut weist darauf hin, dass Publikationen in Form eines Research Letter einzelne Forschungsergebnisse, Beobachtungen oder Feldberichte beschreiben. Im Hinblick auf Detaillierungsgrad und Bearbeitungstiefe sind Research Letters nicht mit sogenannten Originalarbeiten vergleichbar, in denen originäre Forschungsergebnisse dargestellt werden.

In der veröffentlichten Auswertung von Schmeling et al. [1] finden sich methodische Mängel, die die Aussagekraft der Ergebnisse stark einschränken.

So wurde bei den Analysen der gemeldeten Verdachtsfälle von Nebenwirkungen weder

  • nach der Dosis der Impfung (Erst-, Zweit- oder Drittimpfung),
  • nach dem Intervall zwischen Impfung und Nebenwirkung,
  • noch nach Alter und Geschlecht der geimpften Personen stratifiziert.

Diese Parameter wären jedoch für die Beurteilung der berichteten statistischen Korrelation wesentlich.

Bei einer retrospektiven Auswertung von gemeldeten Nebenwirkungsverdachtsfällen nach Impfung muss immer berücksichtigt werden, dass aufgrund verschiedener Einflüsse, zu denen u.a. auch eine erhöhte Medienaufmerksamkeit zählt, die Anzahl der berichteten Ereignisse pro Zeitraum sehr stark variieren kann (sog. Reporting Bias).

In einer groß angelegten und sich über einen langen Zeitraum von mehr als zwei Jahren erstreckenden, bevölkerungsweiten Impfkampagne, wie es in der SARS-CoV-2-Pandemie der Fall war, sind einzelne Chargen von Impfstoffen unterschiedlich lange verfügbar. Mögliche Gründe dafür sind die Anzahl der Dosen pro Charge, die je nach Herstellungsort variieren kann, Änderungen in den Impfempfehlungen, die Verfügbarkeit unterschiedlicher Impfstoffprodukte, die erst nach und nach zugelassen wurden, sowie das sich verändernde Infektionsgeschehen. Werden bestimmte Ereignisse auf Basis der Anzahl von Fällen in den Medien zu Zeitpunkten berichtet, in denen sehr viele Impfungen verabreicht werden, kann dies ggf. zu einer Verzerrung der Sachlage insbesondere hinsichtlich der Häufigkeit der Meldung solcher Ereignisse führen. In der Auswertung von Schmeling et al. [1] wurde beispielsweise nicht berücksichtigt, dass Auffrischungsimpfungen vermutlich durch die damit einhergehende erneute Stimulation des bereits aktivierten Immunsystems in manchen Fällen mit einer erhöhten Rate von unerwünschten Ereignissen verbunden sein können. Einige COVID-19-Impfstoffchargen wurden sowohl für die Grundimmunisierung wie auch für Auffrischungsimpfungen verwendet.

Weitere Kommentare zu methodischen Schwächen der Veröffentlichung und der durchgeführten Analyse von Schmeling et al. [1], die vom Paul-Ehrlich-Institut ebenfalls festgestellt wurden, wurden in derselben Zeitschrift in einer weiteren Publikation veröffentlicht. [2]

Literatur

[1] Schmeling, M et al.: Batch-dependent safety of the BNT162b2 mRNA COVID-19 vaccine European Journal of Clinical Investigation 2023; 53(8) e13998
https://doi.org/10.1111/eci.13998
[2] Borja Somovilla del Saz: Batch-dependent safety of the BNT162b2 mRNA COVID-19 vaccine European Journal of Clinical Investigation 2023; epub ahead of print e14050
https://doi.org/10.1111/eci.14050

Aktualisiert: 18.08.2023